Wie wird eine Gewerbeimmobilie bewertet?
Bei der Immobilienbewertung wird im Allgemeinen zwischen Wohnimmobilien und Immobilien für Gewerbe unterschieden. Während der Wert eines Einfamilienhauses maßgeblich über die Herstellungskosten und Restnutzungsdauer im Sachwertverfahren nach ImmoWertV dargestellt wird, steht bei Gewerbeimmobilien oftmals der Ertragsgedanke und somit das Ertragswertverfahren nach ImmoWertV im Vordergrund. Bei Gewerbe liegt das Mietausfallwagnis in der Regel höher als bei anderen Immobilienarten, wie z.B. Wohnungen. Je nach Art des Gewerbes, der Lage und des Anteils der Gewerbes am Ertrag muss das Mietausfallwagnis angepasst werden. Auch die Verwaltungskosten sind je nach Größe und Lage unterschiedlich hoch. Die Verwaltungskosten liegen beispielsweise in Nordrhein-Westfalen laut Model der Gutachterausschüsse bei 3 – 8 Prozent des zu erzielenden Rohertrags.
Was sind Gewerbe- und Spezialimmobilien?
Zu den Gewerbe- und Spezialimmobilien zählen insbesondere:
- Anwaltskanzleien
- Arztpraxen
- Autohof
- Bahnhof
- Bürogebäude
- Business Center
- Einkaufszentren
- Flughafen
- Industriegrundstücke
- Hotels
- Krankenhäuser
- Läden
- Lagerhallen
- Logistikzentren
- Parkhaus
- Sanatorien
- Seniorenheime
- Supermärkte
- Theater
- Verwaltungsgebäude
Diese Gewerbeimmobilien lassen sich insgesamt in sechs Kategorien einteilen:
- Produktionsimmobilien
- Freizeitimmobilien
- Logistikimmobilien
- Büroimmobilien
- Handelsimmobilien
- Spezialimmobilien
Viele Immobilien dieser Art sind für einen bestimmten Zweck ausgelegt und sind nur bedingt für andere Nutzungen geeignet. Dies schränkt den Käuferkreis in der Regel stark ein. Insbesondere bei den Spezialimmobilien ist dann auch schon mal Kreativität gefragt, wie eine Immobilie möglicherweise anders genutzt werden kann. Dagegen stellen andere Gewerbeimmobilien, wie Büros oder Läden in Top-Lagen, die optimale Nutzungsform dar und können über das Ertragswertverfahren bewertet werden.
Bewertung von Gewerbe- und Spezialimmobilien am Beispiel eines Hotels
Die Bewertung einer Gewerbeimmobilie ist sehr individuell und hängt stark von der Objektart und Lage ab. Die Wertermittlung von Gewerbeimmobilie wird anhand der rechtlichen und inhaltlichen Gegebenheiten, Besonderheiten und den relevanten Eingangsgrößen vollzogen, welche im Folgenden am Beispiel der Bewertung eines Hotels dargestellt werden:
Objektart: Hotel
Rechtliches:
- BGB und Gaststättengesetz (Erlaubnis)
- Bauordnung und Brandschutz
Inhaltliches:
- Betriebs- und Vertragsausgestaltungen
- Gewinn-und-Verlust-Rechnungen
- Branchenspezifische Kennziffern (Auslastung)
Besonderes:
- Mindestgröße zur Wirtschaftlichkeit
- Pre-Opening
- Flächenkonzept
- Stellplatzsituation
- Modernisierungsrisiko
- Klassifizierung (z.B: DEHOGA), FF&E, Rücklagen
Eingangsgrößen:
- Pachten 20-35%
- Auslastung: 50-80%
- Liegenschaftszinssatz: 6,0 – 9,0%
- Nettorendite: 5,5 – 8,5%
- Bodenwertanteil: 10-30%
- x-fache RoE: 10-14
Mit diesen Kennzahlen ergibt sich für ein Hotel folgende Wertermittlung:
Average Room Rate (AAR) ohne Frühstück/Steuern | 60 EUR/Zimmer | |
x | Auslastungsgrad (59%) | 0,59 |
= | Erlös je verfügbarem Zimmer (RevPar) | 35 EUR/Zimmer |
x | Anzahl der Zimmer und Öffnungstage | 33×365 |
= | Jahresnettoumsatz (nur Logis) | 421.575 EUR |
x | Pachtansatz (25%) | 0,25 |
= | Jahresrohertrag | 105.394 EUR |
– | Jährliche Bewirtschaftungskosten (20%) | 21.079 EUR |
= | Jahresreinertrag | 84.315 EUR |
: | Liegenschaftszinssatz (7%) | 0,07 |
= | Vorläufiger Ertragswert | 1.204.500 EUR |
– | Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale | 50.000 EUR |
= | Ertragswert = Verkehrswert | 1.154.500 EUR |
Rohertragsfaktor | 11,4 |
Der ermittlete Rohertragsfaktor von 11,4 liegt innerhalb der Bandbreite der im Rahmen recherchierten RoE von 10-14 und bestätigt somit das Ergebnis.
Bewertung von Gewerbe bei Mischnutzung / Teileigentum
Bei Teileigentum in gemischt genutzten Wohn- und Geschäftshäusern wird der Wert der Immobilie oftmals durch das Ertragswertverfahren ermittelt. Grundlage dafür sind die im Mietvertrag festgelegten Mieten. Weichen diese erheblich von der Marktmiete ab, muss der Over- oder Underrent als besonderes objektspezifisches Grundstücksmerkmal berücksichtigt werden. Die Anpassung der Bewirtschaftungskosten, wie Verwaltungskosten und Mietausfallwagnis, muss abhängig von der Lage und des Anteils der Gewerbeeinheit am Ertrag erfolgen. Einen Sonderfall der Mischnutzung stellen Bauernhöfe dar. Dort liegt das Wohnhaus oftmals im Außenbereich mit dem landwirtschaftlichen Betrieb verknüpft und erfordert somit sowohl den Einsatz des Sachwertverfahrens und Ertragswertverfahrens.